Der unsichtbare Apfel: Roman (German Edition) by Gwisdek Robert

Autor:Gwisdek, Robert [Gwisdek, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783462307894
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2014-03-07T23:00:00+00:00

Lange lief Igor. Er passierte Gänge und Räume, die allesamt leer waren. Manche waren zusammengefallen und staubig, manche sahen aus, als ob sie gerade erst eingerichtet worden wären, aber nirgendwo traf er auf Menschen. Es gab fabrikartige Hallen und kleine Räume, die wie Hotelzimmer aussahen, er durchlief Gänge voller abgeschlossener Schränke und Baderäume, in die Heerscharen von Menschen hineingepasst hätten. Auch fand er Säle voller Betten und Kabinen, in denen kaum jemand stehen konnte, an deren Wänden aber Telefone installiert waren. An den meisten Decken hingen Rohre, die durch die Gänge liefen und die Räume miteinander verbanden.

Nirgendwo sah er ein Fenster und doch war die Luft gut. Die Rohre schienen unter anderem für die Luftzufuhr zuständig zu sein. Es roch nach Teppich und Beton und manchmal nach Farbe. Dies alles muss einmal einen Nutzen gehabt haben, dachte er.

Die meisten Türen waren abgeschlossen und die, die es nicht waren, waren wohl von anderen Wanderern aufgebrochen worden.

Gelegentlich hielt er inne, setzte sich auf den Boden und spielte mit seinem Kreis. Er war das Einzige, das ihm vertraut vorkam. Immer öfter übte er, ihn zum Schrumpfen und zum Wachsen zu bringen. Auch entdeckte er, dass er ihn in seiner Rotation beschleunigen und verlangsamen konnte. Lange starrte er ihn an und fand Ruhe in seiner sanft pulsierenden Mitte.

Nachdem Igor ihn dazu gebracht hatte, sehr, sehr langsam zu werden, stellte er fest, dass der Kreis in Wirklichkeit ein unglaublich schnell rotierender Punkt war, der, wenn man genauer hinsah, selbst nichts weiter als ein Kreis war, der auch aus einem unsäglich schnell rotierenden Lichtpunkt bestand, welcher in Wirklichkeit ebenfalls ein Kreis war, der aus einem um sich selbst rasenden Punkt zu bestehen schien. Immer tiefer konnte er in ihn hineinsehen und je mehr er sah, desto faszinierter wurde er von seiner Art, sich zu bewegen.

Als er ein paar Tage gegangen war – er hatte schon längst sein Gefühl für Zeit verloren, er schätzte lediglich, dass es Tage waren –, hörte er auf einmal einen Ton wie von einer kleinen Glocke. Es war so leise und bescheiden, dass Igor zuerst glaubte, es müsse Einbildung sein, doch als es sich wiederholte, ging Igor ihm nach. Er kam durch einige Treppenhäuser, bis er es deutlich vernahm.

Es war das niedlichste Geräusch, das er je gehört hatte, so unschuldig und leicht, dass Igor, der in den endlosen Gängen und Sälen schon ganz vereinsamt war, ein Pochen im Herzen verspürte. Eine Weile glaubte er, dass es aus einem der Rohre kam, aber immer, wenn er sich ihm näherte, hörte er es auf einmal unter sich, und wenn er die Treppen hinablief, klang es plötzlich, als wäre es mehrere Stockwerke über ihm. Es bewegte sich offenbar vertikal, ohne die Treppen zu benutzen, und auch wenn es Igor immer aussichtsloser vorkam, es zu fangen, war es doch ausgeschlossen, dass er aufgab, es zu suchen. Zu zart klang das Geräusch, und einen zu großen Kontrast setzte es zu der harten Rätselhaftigkeit des Gebäudes, das ihn umgab.

Schließlich war er sich sicher, dass es sich hinter einer

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